Und was ist jetzt „Agentursoftware“?
Vom immer währenden Versuch, Äpfel mit Birnen zu vergleichen
In der iBusiness wurde vor kurzem wieder das Thema „Agentursoftware“ aufgegriffen. Was mir dabei immer wieder – vor allem in den Kommentierungen – auffällt: Es werden völlig unterschiedliche Software-Kategorien angesprochen und miteinander verglichen. Kommentare wie „leider fehlen Aussagen zu SCRUM“ oder „was ist mit der Einbeziehung sozialer Netze?“ zeigen, dass zumindest zwei Themen unter das große Dach „Agentursoftware“ gestellt werden, die hier nur sekundär angesiedelt sind: Groupware und Projektmanagement.
Unter Agentursoftware wird jedoch Software verstanden, die – wie ERP-Systeme, deren branchenspezifische Entsprechung sie darstellt – die unternehmensrelevanten Geschäftsprozesse Beschaffung – Vertrieb – Fertigung – Auslieferung abbildet. Umgesetzt in den Software-Bereichen Stammdaten/Kontakte, Finanzen/Controlling, Personal- und Auftragswesen sowie Material-/Warenwirtschaft.
Die Spezifika von Agenturen besteht darin, dass es in der Unternehmung nicht um die Fertigung oder den Verkauf von Produkten geht, sondern um die Erbringung von Dienstleistungen und ihrer Abwicklung in (Kunden-) Projekten, weshalb den Kern von Agentursoftware die ProjektVERWALTUNG bildet. Hierfür dienen Funktionen um Leistungen zu kalkulieren und den Kunden anzubieten, die darauf anfallenden Zeiten (also die Leistungen der Mitarbeiter/innen als Basis des Agenturerfolgs) zu erfassen, wie auch die Kosten, die durch den Zukauf von Leistungen entstehen und schließlich alles den Kunden in Rechnung zu stellen. Und da diese Leistungen von und für Menschen in Unternehmen erbracht werden, kommen die Kontakt- und Mitarbeiter-Verwaltung und deren Kommunikation dazu.
Damit lauten die Überschriften der Basisfunktionen dieser Systeme Kunden-, Lieferanten- und Mitarbeiterverwaltung, Projektabwicklung und Faktura. Sie beinhalten funktionale Anforderungen von A wie Abschlagszahlungen über D wie DATEV-Schnittstelle und F wie Formularwesen bis Z wie Zeiterfassung und lösen damit die hauptsächlichen Probleme in den Agenturen, die zu einem sehr großen Teil (Aussagen meiner Kunden aus 77 Kundenprojekten mit Agenturen jeder Größe und Ausrichtung) in den Bereichen „Kalkulationen, Angebotskontrolle, Budgetüberwachung“ sowie im Projekt- und Agentur-Controlling den größten Optimierungsbedarf sehen.
Gleichwohl könnte dies auch Software für andere Branchen leisten, die projektbezogen arbeiten. Was Agentursoftware darüber hinaus zu Agentursoftware macht, sind die spezifischen Anforderungen, die sich beispielsweise aus einem in klassischen Agenturen notwendigen Beschaffungsprozess (Lieferanten-Anfragen) ergeben, den Erfordernissen an die besonderen Abrechnungsweisen (Honorarverträge, Service Fee etc.) oder auch dem in Agenturen üblichen Handling durchlaufender Posten aus Rechnungen freier Mitarbeiter oder auch Medialeistungen.
Interessant ist, dass Agenturen, auf ihre Prozesse angesprochen, in erster Linie nicht diese kaufmännischen Geschäftsprozesse nennen, sondern all diejenigen, die unter die Schlagwörter Groupware, Ressourcenplanung und Collaboration fallen.
Hier geht es vorrangig um Zusammenarbeit und Aufgabenverteilung. Doch auch hier hat Agentursoftware Stärken: Aufgaben, die sich aus dem erstellten Kundenangebot generieren und mit so vorgegebenen kalkulierten Stundenwerten (mit gleichzeitigem Abgleich der Stundenbudgets aus den Personalstammdaten) einen Rahmen für das Management der Projekte ergeben: Dies vermeidet nicht nur Doppelerfassungen, sondern schafft Transparenz und Überblick und bietet den so notwendigen Soll-Ist-Vergleich auf Projektebene.
Das Problem ist, dass diese riesige und auch notwendige Funktionsvielfalt von Agentursoftware – egal wie gut aufbereitet – mit der einfachen Usability trendiger moderner Spezial-Software wie z.B. reine Collaboration-Tools, die ja nur einen Teilbereich der Anforderungen erfüllen, häufig nicht mithalten kann. Umgekehrt sind die Spezialisten eben „nur“ Spezialisten und erfüllen andere Anforderungen nicht, wodurch die reichlich paradoxe Situation entsteht, dass die Anbieter dieser Produkte – wie z.B. im CRM-Software-Markt zu beobachten – immer mehr Funktionsbereiche dazu entwickeln.
Hier werden aktuelle Trends und technologische Möglichkeiten auf der einen Seite, Veränderungen in den Arbeitsprozessen der Agenturen und bestehende Erfordernisse an kaufmännische Gegebenheiten noch viele Diskussionen erfordern, um die es hier in diesem Blog auch verstärkt gehen wird und für die ich mir eine angeregte und anregende Beteiligung erhoffe.
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